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Methoden der Implementierung | Recherche | 2009

People Who Sit In The Disability Seats When I`m Standing On My Crutches





04:30

Der Wecker klingelt. Viel zu früh! Ich bekämpfe die Lust noch ein Weilchen länger liegen zu bleiben und raffe mich auf. Während ich esse, denk ich, es ist halb so wild. Wenigstens habe ich den Vorteil, dass ich im Sommer auch in etwa um diese Uhrzeit aufstehen muss, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Beim Duschen die erste überraschung des Tages: Das Wasser ist kalt. Stimmt ja, der Boiler heizt erst um sechs Uhr wieder auf. Na, immerhin komm ich so nicht in Versuchung zu lange unter der Brause zu stehen.

04:55

Im Auto. Ich drehe die Heizung auf, um mich von meinem morgendlichen Kälteschock zu erholen. Wie zu erwarten war sind die Straßen leer in Berndorf um diese Zeit. Doch nein! Ein paar erste Frühaufsteher wandeln schon durch die Gassen. Ich frage mich, welchen Grund sie haben, sich schon so früh am Morgen aus dem Bett zu quälen. Doch die Zeit, anzuhalten und sie auszufragen habe ich nicht, Lust dazu schon gar nicht.
Während ich auf der Landstraße fahre, wird mir die Bedeutung der Worte "etwas im Schlaf können" bewusst. Meine Gedanken driften ab in eine andere Welt. Nur mein Körper bleibt zurück, um den Wagen zu lenken. Ich fühle die wohlige Wärme der Heizung und höre die ruhige Musik von Norah Jones. Da soll noch einer sagen Autofahren könnte nicht entspannend sein.
Ich erreiche Bad Vöslau. Alles leer. Nicht einmal bei der Bushaltestelle treiben sich Menschen rum. Da gibt es scheinbar doch einen Unterschied, ob man hier eine Viertelstunde früher oder später vorbei kommt, denn aus Erfahrung weiß ich, dass hier in ein paar Minuten sehr wohl Leute auftauchen werden. Ich frage mich, wie es sein kann, dass in Berndorf bereits erstes Leben erwacht, während hier noch alles ruhig ist. Ein Blick auf den Tacho warnt mich, meine Geschwindigkeit zu drosseln. Die leeren Straßen laden zum Schnellfahren ein.
In der nähe des Bahnhofs dann die erste Seele, die ich seit Berndorf entdecke. Ich ergattere zum ersten Mal einen Parkplatz direkt vorm Bahnhof, wundern tut es mich allerdings nicht. Am Bahnsteig selbst fällt mir erstmal nichts Ungewöhnliches auf. Der Zug nach Znojmo steht bereits angeschrieben. Ein paar Leute stehen schon wartend am Bahnsteigrand. Sie setzen sich aus unterschiedlichen Altersgruppen, wie auch Gesellschaftsschichten zusammen, auf den ersten Blick also kein Unterschied also zu den anderen Tageszeiten. Nur ihre Gesichter wirken müde, abgekämpft, ausdruckslos, abwesend. Sehe ich etwa auch so aus?
Ein Unterschied fällt mir doch noch auf. Die "Heute" Zeitungen liegen noch nicht bereit. Abgesehen davon ist es ungewöhnlich ruhig. Wie in stiller übereinkunft scheinen die Leute alles zu vermeiden, was Lärm machen könnte.
Ich sehe hinauf zum Himmel. Schade, die Wolkendecke blockiert die Sicht zu den Sternen. Wenigstens diesen Vorteil des Frühaufstehens hätte ich gerne genossen.

05:20

Der Zug fährt ein, pünktlich, wie ich feststelle. Ich muss schmunzeln. Ist das nur eine Ausnahme, oder schafft es die Bahn um diese Zeit tatsächlich noch die Fahrpläne einzuhalten. Wie ich aus dem Internet weiß, ist das der erste Regionalzug, der heute diese Strecke befährt.
Drinnen dasselbe Bild, wie zuvor. Die Passagiere beschäftigen sich mit Lesen oder sehen gedankenverloren aus dem Fenster. Selbst der Schaffner stört die heilige Ruhe nicht, geht wortlos an mir vorbei. Keine Durchsage, wo der Zug als nächstes halten wird, bei so einer Atmosphäre sollen wir Leute befragen?
In Baden scheint es die "Heute" schon zu geben, wie ich an einigen zugestiegenen Fahrgästen erkenne. Immer noch fällt mir keine Besonderheit auf, was die Zusammensetzung der Insassen betrifft. Es wundert mich aber auch nicht sonderlich, wir wissen doch schon, dass diejenigen, die mehr verdienen oft größere Wegstrecken zurücklegen müssen. Also selbst, wenn deren Arbeitszeit später beginnt, müssen sie früher weg fahren. So fallen meine Beobachtungen bisher äußerst dürftig aus. Macht auch nichts, so habe ich wenigstens Zeit zu schreiben.

06:55

Ankunft am Südbahnhof. Oh Wunder, immer noch pünktlich. In der Haupthalle läuft mir auch prompt eine der beiden Betreuerinnen über den Weg, einen Kaffeebecher in der Hand. Nur gut, dass ich nicht auf diese bittere Brühe angewiesen bin. Ich folge ihr zu Bahnsteig neun, wo der Zug nach Bratislava stehen soll. Schön jemanden zu haben, dem man einfach hinterherdackeln kann. So erspar ich mir das Denken in aller Frühe. Auch das erste Mitglied unserer Gruppe läuft uns über den Weg. überraschend, wie locker und fröhlich, die erste Konversation des Tages mit einem Gleichgesinnten abläuft und das ungeachtet der Tageszeit.
Bahnsteig neun liegt im Schutt begraben. Sind das Anzeichen der ersten Umbauarbeiten zum Zentralbahnhof? Wir gehen den Bahnsteig entlang und stellen fest, dass er weiter vorne doch noch intakt ist. Der Zug nach Bratislava steht bereits da. Außer uns sind erst zwei weitere Studenten eingetroffen. Mit der Zeit trudeln auch andere ein. Ein paar von ihnen beschließen aufgrund der windigen Frische gleich einzusteigen, obwohl die zweite Betreuerin mit den Fahrkarten noch fehlt. Die Durchsage ertönt, der Zug will abfahren, also steigen auch wir zu. Müssen wir jetzt ohne Karte abfahren? Noch ein Mal gehen die Zugtüren auf und zu unserer Freude steigt unsere zweite Betreuerin ein, gefolgt von ein paar weiteren Studenten und Studentinnen, darunter auch ein Mädchen aus unserer Gruppe.

06:11

Vollzählig sind wir damit leider noch nicht, doch der Zug fährt ab und damit die Möglichkeit der anderen noch zu uns aufzuschließen. Na ja, Hauptsache wir fahren nicht schwarz. Unter den Studenten bricht rege Unterhaltung aus und untergräbt die herrschende Stille. Allmählich verteilen sich die Gruppen und beginnen mit ihren Recherchen.
Der Zug verlässt Wien. Es sind kaum noch Menschen an Bord, der letzte Wagon überhaupt menschenleer. Soviel also zu unseren Interviews. Die wenigen Passagiere, die abgesehen von uns Studenten noch im Zug sitzen, werden entweder bereits belagert, oder lehnen dankend ab, das heißt, wenn sie nicht schlafen. Also beschränken wir uns darauf, das Innere des Zugs zu filmen und sehen dabei zu, wie die Landschaft an uns vorbei zieht. Auch das halten wir filmisch fest, ist doch die städtebauliche und landschaftsplanerische Beziehung das einzige Bindungsglied zwischen dieser übung und der Architektur.
Ich durchquere die Wagons und stelle fest, dass im ganzen Zug kein Schaffner auffindbar ist. Das Geld für diese Fahrt hätten wir uns sparen können : wenn wir unehrliche Menschen wären.

07:05

Bratislava begrüßt uns mit Plattenbauten, teilweise in bunten Farben. Wir erreichen Bratislava Petrzalka : Endstation. Auf dem Bahnsteig kündigt eine Lautsprecherdurchsage mit herrlichem Akzent an, wann der nächste Zug nach Wien geht, wo er hält und wo er abfährt. Amüsiert erkennen wir, dass es genau derselbe ist, mit dem wir angekommen sind. Spekulationen, gleich wieder einzusteigen, werden allerdings durch verschlossene Türen erstickt.
Beim Betreten der Bahnhofshalle sticht sofort die gebogene Brücke ins Auge, die über unseren Köpfen die oberen Ebenen des Gebäudes verbindet. Schlagartig wird mir klar, dass Städtebau und Landschaftsplanung doch nicht die einzigen Bezugspunkte zwischen Pendeln und Architektur sind.
Uns fällt auf, wie wenige Leute hier umher gehen. In Wien müsste jetzt längst alles voll sein, obwohl es für Schüler wohl doch noch ein wenig früh ist.
Wir setzen uns wieder in den Zug. Nach und nach wird klar, dass es diesmal keine einsame Fahrt werden dürfte. Diesmal sind die Wagons fast voll.

07:33

Abfahrt von Bratislava. Wir überwinden schließlich unsere Berührungsängste und suchen uns die ersten "Opfer" für unsere Interviews. Glücklicherweise ist es nicht schwer in der Slowakei deutsch sprechende Bürger zu finden. Die ersten beiden Gesprächspartner sind schnell gefunden, ein Mann Mitte vierzig und eine Frau um die dreißig. Auch die anderen Gruppen profitieren von der zunehmenden Bereitwilligkeit der Fahrgäste. Auch wenn einige lieber in Ruhe gelassen werden wollen, lassen sich andere sogar auf ein Foto ein. Ein Mann will sogar den Spieß umdrehen und meine Kollegin ausfragen. Doch sie schafft es recht schnell sich loszueisen und das nächste Interview in Angriff zu nehmen. Ich genieße dabei meine Beobachterrolle als Protokollführer.
Nach vier Interviews haben wir zwar einige Informationen erhalten, doch immer noch keinen "echten" Pendler gefunden, der regelmäßig von Bratislava nach Wien fährt. Es überrascht uns aber, wie aufgeschlossen die Leute über sich selbst reden. Fragen müssen fast keine gestellt werden, weil sie von sich aus zu erzählen beginnen.

08:00

In österreich beginnt der Unterricht. Schüler haben wir bis jetzt aber keine angetroffen. Wir stellen uns wieder zusammen und vergleichen, was wir erfahren haben. So, wie es aussieht, sind die meisten Pendler in diesem Zug nur am Wochenende in Bratislava und arbeiten oder studieren während der Woche in Wien. Nur gut, dass wir uns einen Montag ausgesucht haben für die Exkursion. Sonst hätten wir wohl wieder einen fast leeren Zug vorgefunden. Oder wäre es besser gewesen, weil dadurch die Pendler ausgesiebt worden wären, die täglich mit dem Zug fahren müssen?
Fünf Interviews reichen uns fürs erste und wir nutzen die übrige Fahrtzeit, um uns gegenseitig etwas näher kennen zu lernen. Dabei kommt heraus, dass ich der einzige österreicher in der Gruppe bin. Mein Kollege ist aus Südtirol und meine Kollegin kommt gar aus Polen. Eine Entdeckung machen wir noch. Das Klo ist nämlich kaputt zum Leidwesen meiner Kollegin.
08:38
Wir kommen am Südbahnhof an. Mir wird gerade bewusst, dass ich schon seit über fünf Stunden wach bin. Jetzt haben wir eine halbe Stunde Zeit, bis wir noch einmal in den Zug einsteigen, in dem ich mich inzwischen schon wie ein Stammgast fühle. Wir beschließen uns die Zeit im Caf`e; zu vertreiben. Eine gute Nachricht für meine Kollegin: Die Toilette ist nicht kaputt. Bei einer heißen Schokolade und netter Unterhaltung mit den anderen Studenten vergeht die Zeit wie im Fluge und schon heißt es wieder zurück zum Zug.
Am Bahnsteig treffen wir noch eine weitere Kollegin, unser vermisstes Gruppenmitglied. Damit ist zumindest unsere Gruppe vollzählig.

09:05

Abfahrt. Entgegen unserer Erwartung sitzen wir diesmal in einem anderen Zug. Schon beim Durchstreifen des Wagons fällt mir auf, dass relativ viel slowakisch gesprochen wird. Jedenfalls glaube ich, dass es slowakisch ist. Wir setzen uns in einen Abteil, wo ich erstmal Zeit habe, mein Protokoll auf den Stand der Zeit zu bringen.
Ich schaue mich ein wenig im Zug um. Die Wagons sind nicht ganz so leer, wie bei der ersten Fahrt, doch die freien Plätze überwiegen. Der Schaffner sitzt inaktiv in einer der Bankreihen. Beinahe wäre ich an ihm vorbei gegangen, ohne ihn von einem normalen Fahrgast unterschieden zu haben. Ich kehre wieder zurück zu meiner Gruppe, die dazu übergegangen ist, das zwanglose Studentenleben zu genießen, während ich beobachte, dass eine andere Gruppe sich noch nicht mit den Interviews der ersten Fahrt zufrieden gibt. Doch mich stört es nicht. Was die anderen Studenten zu erzählen haben ist nicht minder interessant und es fällt leichter sich mit ihnen zu unterhalten. Manche kommen aus anderen Studienzweigen. Das sorgt für ausreichend Gesprächstoff.

09:30

Erstes Lebenszeichen eines Schaffners. Die Fahrkarten, die wir noch von der ersten Fahrt haben, werden nun doch noch entwertet. Kurze Zeit später hören wir die erste Lautsprecheransage über die nächsten Haltestellen. Jetzt erst fällt mir auf, dass die Mädels aus unserer Gruppe verschwunden sind.

10:05

Unsere Kolleginnen kehren zurück mit zwei neuen Interviews im Gepäck. Kurz darauf fährt unser Zug in Bratislava Petrzalka ein. Die nächste Etappe unserer Exkursion beginnt. Die Bahnhofshalle ist diesmal deutlich voller, doch noch lange nicht das, was ich als überfüllt bezeichnen würde. Jetzt haben wir erstmal Pause bis dreiviertel Elf, bevor es weiter geht.
Auf der Suche nach etwas Essbarem betreten wir ein Lokal, in dem es verdächtig nach Gas riecht. Bevor wir eine Explosion provozieren, gehen wir lieber weiter. Vorbei an Mistkübeln, die wie Briefkästen aussehen (oder sind es doch Briefkästen, die wie Mistkübel aussehen?), vorbei an verrosteten Autos und beschmierten Wänden erreichen wir das, was man hierzulande übersetzt einen Supermarkt nennt. Das elektrische Tor lässt sich zuweilen offensichtlich nur von Hand öffnen, wie uns ein Einheimischer demonstriert. Das metallene Drehkreuz im Inneren lässt nostalgische Gefühle in mir aufkommen. Bei der Auswahl tue ich mir schwer angesichts der vielen unbekannten Markenartikel. Ich riskiere lieber nichts, kaufe mir einen Eistee und ein KitKat. Es stimmt halt doch, was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.

10:50

Die slowakische Fremdenführerin trifft am Bahnhof ein. Sie ist eine hoch gewachsene Frau (größer als ich), die sich mit uns in fließendem Englisch unterhält.
ihre Tour beginnt allerdings weniger aufregend. Ich bin nicht sicher, ob es an der faden Architekturkulisse liegt, die unser erster Haltepunkt ist, oder daran, dass sie versucht anhand eines Laptops zu präsentieren. Jedenfalls verliere ich bald das Interesse daran flüchtige Blicke auf den Bildschirm erhaschen zu wollen und widme meine Aufmerksamkeit den vorbei fahrenden Autos. Nach einer halben Stunde geht es endlich weiter.

11:52

Wir steigen in den Bus und lassen uns ins Wohnviertel chauffieren. Die Plattenbauten geben mir das Gefühl zwanzig Jahre in der Zeit zurück gereist zu sein. Obwohl die Gebäude teilweise stark verwahrlost sind, verbreiten sie einen gewissen Charme, vergleichbar mit der Romantik einer Burgruine. Dennoch, wohnen möchte ich hier nicht, selbst wenn manche Bauten gerade saniert werden oder schon wurden.
Wir halten vor der Skulptur eines Knienden auf ein paar aufgeschichteten Steinquadern. Die umliegende Rasenfläche scheint die Hunde der Nachbarschaft wie auf magische Weise anzuziehen, wie einige stille Zeugen beweisen. Mich hält das wiederum davon ab näher an die Skulptur heranzutreten.

12:25

Wir fahren wieder Bus.
Die nächste Station auf unserer Reise liegt am Fuße einer Donaubrücke. über der Brücke thront auf der statischen Konstruktion ein Bau, dessen aussehen an eine fliegende Untertasse erinnert. Außerdem erhasche ich einen ersten Blick auf die Altstadt Bratislavas. In weiterer Entfernung sieht man einen Fernsehturm. Die Reiseleiterin erklärt, dass dich dort oben ein Restaurant befindet, das sich dreht. Warum kommt mir das nur so bekannt vor?

13:30

Gegen ein mehr oder weniger geringes Entgelt fahren wir hinauf auf die Aussichtsplattform der Donaubrücke, die wegen seines Aussehens kreativer Weise den Namen "UFO" trägt. Von hier oben bekomme ich einen überblick über Bratislava. Südlich der Donau schießen die unzähligen Plattenbauten aus dem Boden, von denen wir zuvor einen Teil aus der Nähe gesehen hatten. Fährt man über die Donau, kommt man in die Altstadt und darüber hinaus weiter im Norden sehe ich Bürokomplexe und weitere Wohnviertel. Auch eine Burg erhebt sich auf einem Hügel an der Donau über die restliche Stadt. Im Osten steigt der Rauch von Fabriken auf, während sich im Westen weites Waldland erstreckt.
Wir verlassen den Aussichtspunkt und gehen über die Brücke direkt in die Altstadt

14:25

Noch bevor wir ins Flanieren kommen können, kehren wir ein zum Mittagessen. Ausgerechnet jetzt, wo ein wenig die Sonne rauskommen würde. Das Lokal hat ein rustikales Flair. Geräte aus vergangenen Tagen, wie eine urzeitlich wirkende Schreibmaschine und Radios aus prähistorischer Zeit, dienen hier als Accessoires. überwiegend Studenten aus der nebenan liegenden Kunstakademie verkehren hier und so würden wir gar nicht auffallen, würden wir uns auf Slowakisch verständigen können. Hier bekomme ich das billigste, aber nicht unbedingt schlechteste Gulasch, das ich jemals gegessen habe. In der fröhlichen Runde vergeht die Zeit wie im Flug. Noch bevor wir dazu kommen, uns härtere Getränke zu bestellen, um dem Spaß noch eines draufzusetzen, müssen wir auch schon zahlen.

15:40

Ab jetzt verläuft die Tour wirklich wie eine typische Stadtführung. Wir bekommen einen Eindruck der Altstadt geboten. Straßen aus Kopfsteinpflastern säumen unseren Weg durch enge Gassen, Plätze und Fußgängerzonen. Manche Teile der Stadt erinnern uns an die Straßen Wiens, andere scheinen einen eigenen Charakter zu haben.
Wir begegnen einem Mann aus Bronze, der aus einem Gullydeckel schaut. Ein paar Häuser weiter späht ein weiterer Bronzemann ums Eck mit gezückter Kamera. Ob sein Motiv nun der erste Mann aus Bronze ist, oder die Touristen, die sich um denselben versammeln, bleibt ein Geheimnis.

16:33

Zum letzten Mal steigen wir in einen Bus in Bratislava ein. Er bringt uns direkt zum Hauptbahnhof. Etwas erstaunt stellen wir fest, dass der Bahnhof kleiner wirkt als der in Wiener Neustadt. Mein Kollege und ich gehen noch hinauf auf die obere Ebene, weil noch etwas Zeit bleibt, das Gebäude zu erkunden. Dann ist es Zeit Bahnsteig drei aufzusuchen. Hier soll der Zug nach Wien Südbahnhof stehen. Doch weit und breit keine Spur von dem Zug, der uns nach Hause bringen soll. Wir versuchen eine der anderen Studentinnen auf dem Handy zu erreichen, doch sie hat kein Netz. Jetzt kommen wir ins Schwitzen. Es war wohl ein Fehler sich von den anderen zu trennen. Nun müssen wir mit ansehen, wie uns nach und nach die Zeit ausgeht. Ich höre eine Lautsprecherdurchsage auf Slowakisch. Aus einzelnen Wortfetzen schließe ich, dass es um die Abfahrt unseres Zuges geht. Ein paar Slowaken, die die Ansage wohl besser verstanden haben, laufen plötzlich Richtung anderes Ende des Bahnsteigs. Geistesgegenwärtig rufe ich meinen Kollegen und folge ihnen. Tatsächlich, da steht der Zug. Zum Glück steht der Schaffner noch draußen. "Nur gut, dass wir so gut Slowakisch verstehen.", sage ich scherzend zu meinem Kollegen, während wir einsteigen.

17:00

Der Zug fährt ab. Keiner hat nun noch Lust weitere Interviews mit Passagieren zu führen. Erschöpfung steht den Studenten ins Gesicht geschrieben. Auch ich spüre jetzt allmählich die Nachwirkungen des Schlafmangels und deshalb endet mein Report hier. Gute Nacht!

Also schön, ich mache noch weiter. Im Zug bekomme ich sowieso nie ein Auge zu. Viel zu erzählen gibt es allerdings nicht. Meine Kollegen dösen vor sich hin oder schlafen. Zwei Mal werden sie allerdings aufgeweckt, weil der Schaffner kommt. Erst ein Slowene, dann ein österreicher. Es hat schon etwas Ironisches, wenn man bedenkt, dass bei der ersten Hin- und Rückfahrt nicht einmal einer der Herren anwesend war.
Wir nähern uns der Endstation und mir wird klar, dass ich den Anschlusszug Richtung Wiener Neustadt verpassen werde. Ich frage mich, wie schlecht die Fahrpläne der öBB aufeinander abgestimmt waren, bevor sie in diesem Jahr "verbessert" wurden. In diesem Fall sind sie jedenfalls genau so eingerichtet, dass mir der Zug vor der Nase wegfahren wird.

18:00

Ankunft in Wien Südbahnhof. Hastig verabschiede ich mich von den anderen und hoffe, dass ich den Zug doch noch rechtzeitig erreichen kann. Glücklicherweise muss ich nicht erst nach dem richtigen Gleis suchen, weil die Züge nach Wiener Neustadt erfahrungsgemäß immer von Bahnsteig zweiundzwanzig abfahren. Der Regionalzug ist sicher schon weg. Doch zwei Minuten später müsste eine Schnellbahn kommen. Aha, die steht für 17:59 angeschrieben. Wunderbar, meine Gratulation an die öBB! Der nächste Zug wird erst in einer halben Stunde gehen. Doch halt, da steht etwas von vier Minuten Verspätung. Tatsächlich, die Schnellbahn nach Wiener Neustadt fährt ein. Gepriesen sei die Unzuverlässigkeit der öBB!

18:03

Ich sitze heute zum letzten Mal im Zug. Es ist zwar nicht der Regionalzug, den ich mir gewünscht hätte, doch besser überall stehen bleiben, als eine halbe Stunde am Bahnsteig zu warten.

18:48

Endlich im Auto! Doch noch bin ich nicht zu Hause. Es ist erstaunlich, dass man immer dann, wenn es einen nach Hause drängt einen Schleicher vor sich hat und keine Möglichkeit zu überholen. Vielleicht hat das aber auch nur mit Psychologie zu tun? Wie sehr wünsche ich mir jetzt die leeren Straßen und abgeschalteten Ampeln von heute Morgen zurück.

19:03

Letztlich habe ich auch dieses Martyrium überstanden. Ich steige aus meinem Auto und bin endlich daheim. Nichts desto trotz blicke ich auf einen schönen Tag zurück. Ausflüge mit einer Gruppe von Gleichaltrigen sind immer lustig.
Wie es jetzt weitergeht geht nun wirklich niemanden mehr etwas an. Daher schließe ich das Protokoll nun endgültig ab.


Gute Nacht! (Jetzt aber wirklich)